Zart besaitet - Sensible Menschen verarbeiten Eindrücke anders

Das Positive vorweg: Hochsensible Menschen sind empathischer und können sich daher besser in andere hineinversetzen. Sie erkennen Gefahren früher und ihr Leben ist oft bunter. Denn sie verarbeiten Reize tiefer und nehmen Vieles intensiver wahr.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, sie werden rascher von Eindrücken überflutet und brauchen mehr Zeit zur Verarbeitung und Einordnung.
Neueste Erkenntnisse zeigen, dass die Sensibilität eines Menschen in der genetischen Veranlagung und Hirnfunktion liegt. Sie ist ein Persönlichkeitsmerkmal wie die Augenfarbe und kein Störungsbild. Rund 30% von uns fallen in die Kategorie Hochsensibel, etwa 40% sind im mittleren Bereich anzutreffen und wiederum etwa 30% der Bevölkerung gelten als wenig sensibel. Kulturell wird diese Veranlagung oft unterschiedlich bewertet. Wird sie in asiatischen Länder oftmals als positiv angesehen, so scheinen die Persönlichkeitsmerkmale feinfühliger Menschen in einer nach aussen gerichteten Gesellschaft wie zum Beispiel der westlichen eher als nachteilig.

Eine Studie der University of Santa Barbara entdeckte ein Muster im Gehirn von sensiblen Menschen. Diese sprechen sowohl auf negative als auch auf positive Einflüsse stärker an. Das Gehirn von hochsensiblen Menschen verarbeitet Dinge auf einer tieferen Ebene und in unterschiedlichen Arealen u.a. zum Beispiel im Hippocampus, welcher für die Bildung und Aufrechterhaltung von Gedächtnisinhalten zuständig ist. So auch für Lernprozesse oder emotionale Inhalte. Ein Tipp der Studienautorin, der für uns alle gilt, aber wovon Feinfühlige besonders profitieren ist: “Machen Sie öfters Pausen”. Dies gibt unserem Gehirn genügend Zeit, Dinge auf einer tieferen Ebene zu verarbeiten. Daraus resultieren dann oft bessere Entscheide, mehr Ausgeglichenheit, ein höheres Wohlbefinden und mehr Energie.

Menschen, die feinfühliger sind, sprechen besonders gut auf Zuspruch und ein wohlwollendes Umfeld an. Das fängt bereits an im Elternhaus, zieht sich durch die Schul- und Ausbildungszeit und zeigt sich auch später im Arbeitsumfeld. Positives Feedback wirkt anspornend, während starke Kritik und harsche Kommentare oder gar Mobbing sich schädlich auswirken und im schlechteren Fall zu psychischen Beeinträchtigungen führen können. Die gute Nachricht: Feinfühlige Menschen entwickeln sich in einem förderlichen Umfeld zu starken Persönlichkeiten. Sie sind integre Personen, denen das Wohlbefinden der Mitmenschen, das Gelingen von Projekten und liebevolle Beziehungen am Herzen liegen. Sie setzen sich mit viel Enthusiasmus und Commitment für ihnen wichtige Dinge ein und sind loyale Menschen mit feinem Humor und Gespür.

Machen Sie den Test und finden Sie heraus, ob sie eine hohe oder eher tiefe Sensibilität aufweisen. Bitte beachten Sie, dass dies keine Diagnose darstellt, sondern eine Hilfestellung im Alltag bieten kann.

Übrigens, zart besaitete Menschen profitieren besonders von therapeutischen Interventionen (z.B. Stressmanagement, Psychotherapie, Coaching, Resilienztraining, Methoden der Komplementärtherapie, Affekttraining usw) oder Entspannungstechniken wie Yoga, progressive Muskelrelaxation, Atemtraining etc. Hier eine Studie der Queen Mary University London am Beispiel einer Paartherapie. Interessanterweise zeigten wenig sensible Menschen über die Zeitdauer eine ähnlich hohe Zufriedenheit mit ihrem Paarleben wie empfindsamere Menschen, die ein Paarprogramm absolvierten. Verständnis für die Andersartigkeit seines Gegenübers erhöht aber auf jeden Fall den Erfolg einer Beziehung. Ob mit Freunden, der Führungsperson oder unserer Familie.

Denken Sie also daran, wenn Ihnen das Wohlbefinden Ihres Kindes, einer Freundin, eines Arbeitskollegen oder Ihrer Partnerin wichtig ist und sie eine gute Beziehung anstreben: Eine wertschätzende Kommunikation wirkt Wunder. Ach ja: Dies gilt übrigens für alle Menschen und sollte eigentlich zum Standardrepertoire gehören. Sie dürfen dies einfordern - auch bei sensiblem Menschen!